martin tiefenthaler
ich verwende, soweit es mir die deutsche sprache erlaubt (z.b. damen›mann‹schaft, je›man‹d, bei dem wort ›man‹ versuche ich eine neue form, die typografisch kaum verändert, aber inhaltlich umfassender ist) die weiblichen grammatikalischen formen. alle männlichen sind serlbstverständlich darin eingeschlossen.
auszeichnung
begriffe
blocksatz
buchstabenabstand
comic sans ∗ neu
entstehung / entwicklung
futura ∗ neu
garamond ∗ neu
kapitälchen
kursiv
laufweite
linksbündig
mittelachsensatz
mode
musik ∗ neu
normierung
notenschrift ∗ neu
pixelfont
rechtsbündig
satzarten ∗ neu
schablonenschrift
schreibschrift
schriftarten
serifen
tradition
typografische abstände
versal- / mediävalziffern
wortabstand
zeilenabstand
auszeichnung

die auszeichnung hebt inhalte hervor (die englische bezeichnung highlight sagt dies etwas deutlicher). es gibt dazu verschiedene typografische möglichkeiten: die wesentliche unterscheidung ist zwischen einer aktiven und einer passiven auszeichnung zu treffen. die aktive auszeichnung ist im makro-layout sichtbar, sie springt bereits beim blick auf das ganze ins auge. die passive auszeichnung ist eine hervorhebung, die erst während des lesevorgangs deutlich wird.
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begriffe

begriffe sind willkürliche auswahlen aus einer zusammenge- bzw. erfassten wirklichkeit, d. h. aus aspekten von wirklichkeit: ich bin mit dem konfrontiert, was ich als wirklichkeit wahrnehme und klassifiziere teile dieser wirklichkeit unter einem begriff. das macht begriffe einerseits verwendbar, andererseits – da sie eine willkürliche wahl sind – problematisch.
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comic sans

ist ein exemplarisches beispiel dafür, wie eine schrift darunter leiden kann, dass sie zu einer systemschrift auf computern wurde. der urheber der comic sans vincent connare beklagt sich zurecht, dass sich menschen ¸ber seine schrift lustig machen – die das allerdings auch zurecht tun – weil er immer wieder betont, das diese schrift zu dem gedacht war, wonach sie auch benannt ist: nämlich für sprechblasen in comics. nach anfänglicher freude darüber, dass seine schrift dazu auserkoren wurde auf dem mikrosoftsystem zu erscheinen, ist natürlich jeder verwendung tür und tor geöffnet worden, weshalb wir comic sans jetzt auf lastwägen, auf ausschreibungen, auf veröffentlichungen von banken usw haben – je nachdem was gewiefte sekretäre und sekretärinnen glauben als geeignete schrift auswählen zu können. die comic sans ist eine vielbelächelte schrift, was mau aber der schrift selbst nicht anlasten kann, sondern nur ihrer verwendung. sie ist in einem comic angewendet sicherlich eine sehr gute schrift. auf einer plastikplane von einem lastwagen hat das natürlich eine andere wirkung.
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entstehung / entwicklung

bei der frage, ob schrift entsteht oder entwickelt wird, könnte mau folgende unterscheidung anführen: eine schrift wird von einer individuellen schriftgestalterin entwickelt, sobald mehrere schriftgestalterinnen in einer zeit in einem bestimmten stil arbeiten, entsteht eine schrifttype oder eine schriftart. die entwicklung wäre die individuelle arbeit an einer schrift und die entstehung wäre das, was das kollektiv an für einen bestimmten stil charakteristischen formen gemeinsam entwickelt.
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futura

ist die schrift der klassischen moderne. sie ist in den späten 20er jahren entstanden. paul renner hat damit bewegungen seiner zeit am typografisch feinfühligsten zusammengefaßt. die bewegung kann mau vielleicht so umschreiben, dass es darum ging eher geometrisch konstruierte buchstaben zu gestalten. er hat es geschafft, die geometrie der buchstaben mit einem duktus zusammen zu führen der diese geometrie nicht vordergründig featured, sondern sie wirklich nur als konstruktionsprinzip im hintergrund ablaufen lässt ohne dabei das typografische feingefühl außer acht zu lassen. die futura wurde seit ihrem ersten erscheinen immer als klare schrift geschätzt und ist nicht einmal von den nazis negiert worden, sondern sogar in propagandaschriften angewandt, was aber auch darauf zurückzuführen ist, dass die einfach alles verwendet haben was ihnen irgendwie in die finger kam, da ihnen das alles wurscht war – was auch einiges über sie aussagt. aber die futura ist die schrift der klassischen moderne, bis heute gülitg und brauchbar.
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garamond

ist die klassische schrift der französischen renaissance. sie wurde von claude garamond, einem schüler von antoine augerau, geschnitten. seit kurzem gibt es stimmen, die zu wissen glauben, dass antoine augerau daran mitgearbeitet hat. die garamond ist insofern verblüffend, als sie in den letzten 480 jahren immer in der gleichen art und weise gerne verwendet wurde, gerne gelesen wurde und wird und wahrscheinlich auch gerne gelesen und verwendet bleibt. dass hatte zur folge, dass es sehr, sehr viele variationen / interpretationen oder schnitte der garamond gibt. wir haben glaube ich am schriftenmarkt um die 20 variationen, die immer jeweilige interpretationen von drucken oder gefundenen buchstaben sind. dennoch ist allen die gleiche architektur, dh das verhältnis zwischen ober-, unter- und mittellänge und auch der ganz deutliche renaissance-charakter, der aus diesem französischen zweig der renaissance-antiquen auf uns gekommen ist, gemeinsam. der italienische zweig wäre durch die schrift bembo vertreten, die eine generation älter ist.
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kapitälchen

kapitälchen sind auf entweder die gleiche oder etwas größere mittellänge einer schrift verkleinerte versalien. das wesentliche ist aber, dass sie eigens geschnitten und nicht einfach digital heruntergerechnet wurden (wenn mau die versalien auf diese höhe runterrechnet, werden / oder wirken sie zu dünn). das heisst kapitälchen müssen immer als eigener schnitt vorliegen.
da kapitälchen mit ihren inhalten nicht so schreierisch umgehen, sind sie eigenlich viel eleganter als vesalien.
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kursiv

der name kursiv kommt aus dem lateinsichen currere, was soviel wie laufen heisst. das verdeutlicht, dass eine kursive nicht einfach eine schräggestellte gerade ist, sondern dass sie einen eigenen duktus und einen eigenen zug hat. die möglichkeiten wie in einer kursiven die striche miteinander verbunden sind, sind wesentlich anders als mau sie erhalten würde, wenn man eine gerade schrägstellt. eine kursive ist immer ein eigener schriftschnitt.
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mode

beim modebegriff würde ich zwischen dem ehemals auch so betrachteten begriff von avantgarde, dh demjenigen aspekt, der eine entwicklung vorantreibt, und dem begriff von stylisch oder modernistisch, der einen aspekt nicht inhaltlich sondern nur formal vorantreibt, unterscheiden. dort wo nur form, aber kein inhalt ist, haben wir immer eine gewisse kitschkomponente. das heißt, wenn wir über modern sprechen, sollten wir bedenken, ob es eine moderne form ist, die auch einen modernen inhalt transportiert oder ob es eine moderne form ist, die einen alten inhalt transportiert.
den unterschied zwischen modernistisch und modern bedenkend würde mode und schrift im guten sinne heißen, dass entwickelte schriftformen modern sind, wenn sie beispielsweise auf die neuen medien bezug nehmen – wie pixelfonts, die eine gute oder sogar bessere lesbarkeit bzw wiedergabe auf einem bildschirm gewährleisten. wenn ich für ein fancy magazin headlines entwickle, die nicht dazu da sind, um gelesen sondern eher um angesehen zu werden oder key-visuals oder eye-catcher zu sein und es darum geht exklusive formen zu entwickeln, die eben auch buchstaben sein können, dann hat das eine eher kurze lebensdauer und wäre modernistisch. dh nicht, dass es schlecht ist, aber es ist halt kurzlebig.
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musik

um ganz vorneweg frank zappa zu zitieren: music is the best. in der schriftgestaltung wirft das leichte probleme auf, weil schriftgestaltung wahrscheinlich lieber nicht musikalisch interpretiert werden sollte, da das wesen der buchstaben und das wesen von musik sich kaum berühren. es ist zwar so, dass sprache eine große musikalische komponente hat, sonst hätten wir keine vokale in unserer repräsentation von sprache – das war auch der grund, warum die griechen die vokale in den ehemals semitischen formkreis der buchstaben eingeführt haben – aber der ansatz, buchstaben musikalisch ausssehen zu lassen, wird wahrscheinlich meistens in einem gestalterischen desaster enden. und da musik und schrift doch sehr weit voneinander entfernt zu sein scheinen, ist wahrscheinlich eine sogenannte musikalische ausrichtung von schrift eher in der richtung von falschem gefühl oder kitsch anzusiedeln.
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normierung

die normierung ist eine erscheinung des industriellen zeitalters. im grafikdesign haben wir hauptsächlich mit der normierung von papierformaten zu tun. schriftgrößen etwa sind noch immer nicht normiert, dh wir haben keine verbindlichen schriftgrößen: 10 punkt in einer schrift sind nicht gleich groß wie 10 punkt in einer anderen schrift. dies liegt daran, dass buchstaben zur zeit des bleisatzes auf gleich großen bleilettern aufgebracht waren, wodurch die genaue größe von 10 punkt festgelegt wurde. bezüglich des verhältnisses der versalhöhe zur beispielsweise kegelhöhe gab es keine normierung.
die normierung der papierformate wurde unter anderem auf betreiben des bauhauses in den 30er / sp”ten 20er jahren eingeführt, was das druckereiwesen erleichterte, da maschinen und papierzuschnitte aufeinander abgestimmt werden konnten. aufgrund dessen haben wir jetzt die f¸r uns verbindliche din-reihe – sehr zum unterschied von beispielsweise den amerikanischen briefformaten, die etwas kürzer sind als unser format. mau weiß nicht ob din schön oder häßlich ist.
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notenschrift

was notenschrift betrifft würde ich eher auf die neuere musik verweisen, die nicht die notenschrift verwendet, die wir in unseren volksschulen kennengelernt haben, die auf die alten neumen zurückgeht, die ja eigentlich eine sehr formalistische art sind, musik niederzuschreiben, was mau auch dem problem entnehmen kann, dass mau eigentlich bis zum heutigen tag nicht weiss, wie eine beethoven-partitur wirklich schnell oder langsam interpretiert wird. wir haben zwar eine genaue angabe von tonhöhen – die ist aber unverbindlich, weil wir über die stimmung der instrumente zu wenig bescheid wissen – und wir haben ganz sicher keine ausreichenden angaben über die geschwindigkeit, ausser einer verbalen umschreibung, die natürlich auch jeder interpretation raum lässt. es gibt dann versuche mit metronomen, die geschwindigkeit irgendwie taktmäßig in den griff zu bekommen, aber ich weiss nicht, wie befriedigend das ausfällt. die notenschrift der neueren musik ist meistens grafisch und trifft dann dort auch wieder mit notierungen wie wir sie im chomúyo-gesang oder in japanischer tempelmusik finden, zusammen. das heißt, die grafischen zeichen, die nicht wie buchstaben sich gebärden, dúrften hier musikalischer wirksam sein.
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pixelfont

pixelschriften sind für das lesen am bildschirm optimiert. sie können nach der höhe ihrer pixelanzahl unterschieden werden, was bedeutet, dass bei einer acht-pixel-schrift acht bildpunkte zur erzeugung von formvarianten – meist in einem quadrat von 8 x 8 pixeln – zur verfügung stehen. in diesem bereich muss ebenso ein versales e wie auch ein versales g unterbekommen. je höher die pixelanzahl, desto ausgefeilter kann der buchstabe sein, desto mehr wird er allerdings bei starker verkleinerung leiden.
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satzarten

linksbündig ist der üblichste satz weil er unseren lesegewohnheiten am ehesten entgegenkommt. wir haben auf der linken seite, dort wo wir zu lesen beginnen, die zeilen untereinander und auf der rechten seite enden sie in einem bestimmten bereich vor dem ende der kolumne. am linksbündigen satz ist wesentlich, dass die rechten zeilenenden eine textgemäße struktur haben, dh guter linksbündiger satz verwendet in dieser auch flatter- oder rauhsatz genannten satzart, eine ordnung der zeilenaufeinanderfolge: lang – kurz – lang – kurz – lang, da wir dann ein signal von text haben. eine bildwirkung hingegen entsteht, wenn die zeilenenden auf der rechten seite eine geometrische form ergeben, wie zb eine halbrundung oder eine stiegenform durch das aufeinanderfolgen einer kurzen, einer etwas längeren und einer noch längeren zeile. diese formen wirken bildhaft und geben nicht das textsignal aus, das die augen, um uneingeschränkt lesen zu können, brauchen.

daraus folgt logischerweise beim rechtsbündigen satz eine dem lesen nicht zuträgliche form, weshalb er auch nur bei kurzen textabschnitten, also vielleicht bei vorspännen oder bei nicht mehr als 6- bis 7zeiligen marginalspalten angewendet werden sollte. trotzdem muss mau wissen, dass der rechtsbündige satz, der ja links flattert, kein physiologisch richtiger satz ist, da er gegen die leserichtung arbeitet und sich das auge beim springen in die nächste zeile nicht darauf verlassen kann, dass der beginn der nächsten zeile wieder an derselben stelle wie der der vorhergehenden zeile ist.

der satz auf mittelachse oder auch auf mitte oder der mittelachsensatz ist am semantisch aktivsten weil wir mit ihm automatisch zb urkunden und buchtitel aus den letzten jahrhunderten, also das, was wir aus der schriftgeschichte kennen, assoziieren oder konnotieren.
der mittelachsensatz gibt sich gerne besonders wichtig, ist aber, was seine lesbarkeit betrifft sehr eingeschränkt – sozusagen der rechtsbündige satz zum quadrat. wir haben weder einen klaren anfang noch einen deutlichen weissraum, da der mittelachsensatz den vorhandenen weissraum oder die layoutfläche wildgröhlend zerschneidet und dass, was ¸berbleibt nur restwerk aber keine gestaltung ist.

der blocksatz ist vom lesefluss her die problematischste satzart. gerade auch deswegen, weil er dort angewendet gehört, wo besonders viel text zu bewältigen ist, dh in romanen oder sachbüchern, die einen besonders klaren satzspiegel haben sollten. das stimmt von der satzart her, allerdings müssen die vorgaben für den blocksatz dann besonders sorgfältig ausgeführt werden: wir dürfen nicht zu große oder zu kleine wortabstände zulassen und unter keinen umständen an der laufweite der schrift drehen, dh die möglichkeiten erstrecken sich vom abteilen der wörter ¸ber einen leicht variierten wortabstand – und das ist auch schon das ende, denn die abstände zwischen den buchstaben dürfen nicht verändert werden, da wir sonst entweder sperren oder eine zu kompresse laufweite haben und das der lesbarkeit abträglich ist.
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schablonenschrift

schablonenschriften sind modular zusammengesetzte schriften. im minimalen fall brauche ich zwei unterschiedliche formen (schablonen) um daraus alle buchstaben zusammenzusetzen. schablonenschriften haben in der regel ungefähr fünf bis sechs module aus denen mau buchstaben formal befriedigend zusammensetzen kann. wie forschungen von fred smeijers und erik kindl nachgewiesen haben, sie sind eine erfindung des 16. jahrhunderts.
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schreibschrift

schreibschriften sind schriften, die deutlich zeigen, dass sie mit der hand geschrieben wurden. die geschriebene schrift zeichnet sich durch forminkonsistenzen aus, was in digitalisierter form sehr schwer herzustellen ist – da dies natürlich das letzte ist, was der computer vermag. gut gemachte digitalisierte schreibschriften sind sehr, sehr umfangreich und haben viele sogenannte ›alternate letters‹: buchstaben, die einander ersetzen können und leicht unterschiedliche formdifferenzen aufweisen.
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schriftarten

schriften können in unterschiedliche schriftarten unterschieden werden: einerseits iaufgrund ihrer historischen entstehung, das heißt in schriftstile. andererseits in ihrer technischen umsetzung und verwendung. bei stilen würde mau zwischen renaissance antiqua, ¸bergangsantiqua und klassizistischer antiqua unterscheiden. damit ist ein zeitraum von 1500 bis 1800 abgedeckt. um 1850 erfolgt die entwicklung von ersten schriften ohne serifen, darauf hin in den 60er jahren des 20. jahrhunderts eine vermischung der vorteile von serifenschriften mit denen der groteskschriften, woraus die humanistischen grotesken resultieren. das sind jetzt all die serifenlosen schriften die in ihrer lesbarkeit und in ihrer schönheit die antiquaschriften eingeholt haben. wenn mau vor 50 jahren noch der meinung war, dass groteskschriften schlechter lesbar sind als antiquaschriften, dann hat sich das auf ein paar wenige prozentpunkte reduziert, da groteskschriften erstens besser gestaltet sind und zweitens die menschen gewohnt sind sie auch zu lesen. die zweite unterscheidung hinsichtlich ihrer verwendung: wir unterscheiden proportionale und monospaced schriften. bei monospaced schriften nehmen alle buchstaben die gleiche breite ein, was unter anderem dazu führt, dass ein i im schriftbild sehr viel dünner wirkt als ein m. diese technik kommt aus den schreibmaschinenschriften, findet aber immer noch in der programmierung anwendung um den programmiererinnen einen besseren überblick über ihre programmzeilen zu verschaffen.
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serifen

serifen, zu deutsch endstriche, begrenzen durch prinzipiell rechtwinkelig angesetzte striche stämme und balken. stämme sind die vertikalen teile der buchstaben, balken sind die horizontalen. wenn wir von serifenschriften sprechen, sind diese stämme und balken immer durch endstriche abgeschlossen, die ¸ber die breite des balkens oder stammes hinausreichen. serifen können einerseits in ganz unterschiedlichen formen ansetzen, das heißt sie können gekehlt, spitz, flach auslaufend … sein. andererseits können auch die serifen selbst unterschiedliche formen – von ganz geradlinig bis gekehlt, rund … – haben. die serifenform ist ein stilmerkmal von schriften.
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tradition

wenn tradition üblicherweise eher ein klotz am fuß ist, dann ist das bei der schriftgestaltung nicht der fall. beim lesen werden abgespeicherte wortbilder mit den aufgenommenen verglichen. das ist eine lang eingeübte tätigkeit die durch bereits eingeführte formen unterstützt wird. jedes mal, wenn neue formen auftreten, muss dieser lernprozess neu gemacht werden. nachdem das gehirn weder individuell noch kollektiv sehr schnell lernt, ist der vorgang des lesens und der vorgang der schriftgestaltung in keinster weise von tradition trennbar.
zur tradition gehört zum beispiel die verteilung der strichstärken (strichdicken und strichdünnen) – bei führung einer breiten feder entsprechend dem zug der schrift – auf einen buchstaben. wenn ich einen buchstaben mache, bei dem dies umgedreht wird, werden auch modern ausgerichtete menschen automatisch ein gefühl dafür haben, dass irgendetwas nicht stimmt. schrift kommt – selbst im digitalen zeitalter, im zeitalter von pixelfonts usw – immer noch aus der schreibhaltung, dies bleibt als modell spürbar (dh nicht, dass es immer so bleiben muss und auch wird, aber momentan ist es noch so).
in der schriftgestaltung geht mau davon aus, dass jene schrift am besten gelesen wird, die (auch kollektiv gesehen) am meisten geübt wurde. susanna licko hat gesagt: you read best what you read most; das entspricht ungefähr dem angebot von schriften mit dem wir zu tun haben. schrift entwickelt sich oder wird sehr langsam entwickelt, da neue formen sehr lange brauchen bis sie eingeführt werden können.
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typografische abstände

bei typografischen abständen sollte mau zwei wesentliche dinge unterscheiden: erstens das physiologisch funktionelle in form des für das auge notwendigen abstandes um distinkte einheiten wahrnehmen zu können. und zweitens: konventionen über semanitsche einheiten, die bedeutungsunterschiede anzeigen. im idealfall hat mau mehrere abstände zur verfügung. schon zu zeiten des bleisatzes wurden bis zu 12 oder mindestens 6 unterschiedliche abstandseinheiten eingef¸hrt. im desktop publishing kann mau sich selbst mindestens fünf oder sechs dieser abstände zurechtlegen und natürlich im persönlichen nacharbeiten und kernen die abstände selbst definieren.

buchstabenabstand
der buchstabenabstand ist der individuelle abstand zwischen einem buchstabenpaar. es gibt die notwendigkeit – damit der grauwert des textes gleichmäþig ist – zwischen zwei buchstaben einen optisch gleich großen abstand zu schaffen, der darüber hinaus mit dem der anderen buchstabenpaare des textes überein stimmt.

wortabstand
der wortabstand ist eine semantische einheit, um ein wort von einem anderen getrennt lesen und wahrnehmen zu können. da ein text ohne wortabstand laut gelesen sehr gut erfassbar ist, ist der wortabstand erst notwendig, wenn ohne laut oder im geist mitzusprechen gelesen wird. der wortabstand ist daher eine erfindung des frühestens neunten jahrhunderts. der wortabstand ist im font genormt, das ändert jedoch nichts daran, dass bei blocksatzeinstellungen in diversen textverarbeitungsprogrammen, der wortabstand bei absätzen in blocksatz variieren kann. generell muss mau sagen, dass der wortabstand kleiner sein kann, als mau glaubt.

zeilenabstand
der zeilenabstand sollte bei gut lesbaren texten optisch größer wirken als der wortabstand. er ist als stilmittel gut geeignet wenn mau ihn stark verkleinert oder vergröþert – was der lesbarkeit meist nicht förderlich ist, dem stil vielleicht schon.

laufweite
die laufweite ist die summe aller individuellen buchstabenabstände. sie bestimmt den eindruck des textes (den grauwert). damit der grauwert gleichmäþig bleibt, muß mau eine weitere laufweite wählen, wenn die binnenräume (punzen) der buchstaben groß sind und eine geringe laufweite je fetter die buchstaben, also je kleiner die punzen sind.
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versal- / mediävalziffern

versalziffern haben die größe von großbuchstaben, mediävalziffern weisen genau wie kleinbuchstaben ober- und unterl”ngen auf. zum beispiel ist die null so groß wie ein x, w”hrend die 3 so groß wie ein x plus unterlänge – wie bei dem kleinbuchstaben g – ist, die 3 ragt also unter die grundlinie. eine ziffer mit oberlänge sitzt auf der grundlinie und erreicht dabei dieselbe höhe wie ein gemeines d. versalziffern sind für tabellen geeignet, da sie dort f¸r ¸bersichtlichkeit sorgen. mediävalziffern hingegen fügen sich beim satz eines fließtextes gut in das schriftbild ein. wenn mau sich zum beispiel ein geschichtsbuch vorstellt, in dem sehr viele lebensdaten in jahreszahlen vorkommen, würden ziffern in großbuchstabenhöhe sehr unangenehm aus dem text herausfallen. deswegen sind mediävalziffern für die textgestaltung und versaziffern f¸r den tabellensatz angebracht.
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